Hiiumaa Surf Paradise und Spinnen Wald
Ergänzt am: 18. Oktober 2022 //
Wir kommen an im Surfers Paradise, das ist an der Westspitze bei Ristna, aber alles ist wie ausgestorben. Ein riesiges Indianer Tipi dominiert den Platz, zwei Container mit einem Haufen Surf Material, eine geschlossene Bar, vier Jetski am Strand und keine Menschenseele weit und breit.
Leider auch kein Wind. So überhaupt gar keiner.
Wir machen uns auf die Suche nach dem schönsten Wohnmobilstellplatz im äußersten Westen von Hiiumaa. Beim Ristna Tuletorn (Leuchtturm) befahren wir die Waldwege, grasen sämtliche Stichstraßen im dichten Wald ab und entdecken überall kleine Nischen wo schon das eine oder andere Zelt aufgebaut ist. Sehr einsam alles. Ideal für den neuen Trendsport Waldbaden. Und dann finden wir unser Paradies:
Hier kann man es länger aushalten. Auf Hiiumaa, der zweitgrößten Insel Estlands geht es sehr ruhig zu. Im dichten Wald findet man zwar viele Feuerstellen, aber die dazugehörigen Grillmenschen sind weit und breit nicht zu sehen. Im Wald stehen alte heilige Eichen und der Wacholder ist allgegenwärtig. Zwei Drittel der Insel sind mit Wald bedeckt, in dem Elche, Wildschweine und angeblich sogar Bären hausen. Aber zum Wald kommen wir später.
Der Surfspot des Hiiumaa Surf Paradise
In der Saison ist das bestimmt ein toller Kite- und windsurfspot. In dem schrägen Haus wohnt der Besitzer, dem wohl auch unser Wohnmobilstellplatz gehört. Denn mitten im Wald fanden wir einen in Folie eingeschweißten Zettel mit der Bitte, den sagenhaften Betrag von 5 Euro pro Nacht im Surfers Paradiese zu bezahlen. Außer der jetzt leider geschlossenen chilligen Bar gab es einen riesigen Container mit Surfmaterial, also das ist nun mal wirklich das (Wind)Surfers Paradise. Am Strand lagen drei Jetskis rum, eine merkwürdige Plattform, die aussah wie ein schwimmendes Schwimmbecken oder Trampolin mit dem Schild "bitte nicht benutzen". Aber halt kaum ein Mensch, mit dem man diese tollen Spielsachen hätte benutzen können. Wollt ihr also nach Hiiumaa zum Windsurfen, guckt mal, wann da genau Saison ist. Auf Saaremaa wurde um 31.08.2019 das Restaurant am Leuchtturm dichtgemacht: Saisonende!
Wenn der Wind kommt, ist es ein herrlicher Spot, das durften wir erleben, berichtet wird weiter unten, denn zunächst packten wir unsere Fahrräder und erkundeten die Gegend.
Die Kite- und Surfarea auf Hiiumaa strotzt vor lustigen Spielzeugen wie Quads, Womos, Jetskis und Surfmaterial. Außerdem sehen die Holzhäuser einfach klasse aus.
Fahrradtour durch den Urwald auf Hiiumaa
Am Nächsten Morgen also nach ausgiebigem estnischen Frühstück radeln wir. Zum Leuchtturm Kōpu Tuletorn, danach frei Schnauze durch den Wald.
Plötzlich haut Normen eine Vollbremsung rein, ich lande in seinem Hinterrad. "Spinnst du!?" schreie ich. Wortlos zeigt er auf einem den ganzen Waldweg umspannendes Kreuzspinnennetz. Ich bin froh dass er es gesehen hat…
Mitsamt Fahrrädern schlängeln wir uns unten durch um nach kaum 5 m fast in das nächste Netz zu gehen. und dann das nächste, und dann das übernächste. Der ganze Wald ist ein Spinnenwald, im Limbo-Tanz versuchen wir die Netze zu umgehen, immer wieder bleiben Luftfäden in unseren Haaren hängen es kribbelt überall.
Der Wald: dichtes Unterholz, fast finster, moosbedeckte und filzige Waldkiefern duften nach Sauna. Wild. Mir kommt das Wort "Hexenwald" in den Sinn, während ich den Spinnennetzen ausweiche.
Auch witzig, mitten in diesen Wald mal eine Bushaltestelle, mal Briefkästen...
Kōpu und der Leuchtturm Tuletorn
Der Turm wurde bereits am Anfang des 16. Jh. gebaut, weil zu viele Schiffe in der seichten Küstenregion am Riff auf Grund gelaufen und dann auch noch von Piraten geplündert wurden. Befeuert wurde der Turm zunächst mit Holz, was zu einer großflächigen Rodung der Halbinsel Hiiumaa führte. Später wurde das Leuchtfeuer mit Öl angefacht und der Wald muss sich wohl erholt haben, siehe die Fotos weiter oben. Heute ist natürlich alles elektrisch betrieben. Eine Turmbesteigung ist ein tolles Erlebnis, das schon im Treppenhaus beginnt. Oben hat man einen schönen Ausblick über Wälder, Moore und Dünen der Kōpu-Halbinsel.
Kitesurfen auf Hiiumaa
Nach dem Leuchtturm geht die die Tour nochmal richtig durch das nunmehr nur noch Spinnenwald genannte Gehölz, parallel zum Strand und jetzt man kann plötzliche eine leichte Brise riechen. Wir werden nervös, kämpfen uns auf sandigen Trampelpfaden über steile Abhänge (Achtung: das ist jetzt der Tipp, ein Mountainbike mitzunehmen).
Der letzte Hügel ist geschafft, raus aus dem Wald, und, ja, es stimmt, ein sanfter Wind hat eingesetzt und wir kommen aufs Wasser.
Nach diesem langen Tag richten wir uns gemütlich ein, braten den saftigen Lachs vom Hafenmarkt Sadama Turg in Talinn und bauen Buskino auf. Es spielt: Batman versus Superman.
Zuletzt noch ein paar Eindrücke von der Insel Hiiumaa:
Die Landzunge der Halbinsel Kassari
Im Süden von Kassari ragt eine schmale Landzunge 3 Kilometer ins Meer hinaus. Ein Spaziergang lohnt sich und wer will kann hier auch auf einem RMK* Wohnmobilstellplatz am Anfang des Weges bleiben.
Am Freitag Steuern wir die Insel Saaremaa, mit Landepunkt Tiigi an.
Auf Wiedersehen Hiiumaa, schee war's.
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RMK bedeutet ungefähr "Zentrum für die Bewirtschaftung des Staatswaldes". Über die Hälfte der Fläche Estlands besteht aus Wald , wovon 40% Staatsbesitz ist. Er steht unter der Bewirtschaftung des RMK. Zu den Aufgaben des RMK zählen unter anderem der Schutz des Waldes und das Pflanzen neuer Bäume, als auch der Verkauf von Holz.
Für Touristen bedeutet dies auch, dass sich das RMK für den Tourismus innerhalb des Gebiets verantwortlich fühlt. Es erstellt Wanderwege, Zeltplätze und Feuerstellen, an denen wir uns frei und kostenlos niederlassen dürfen. Das ist toll!
Foto credits: Ursula Fischer und Normen Wolke
Jahreszahlen und Fakten: Aus dem Reiseführer "Reise Know How Baltikum"