Betrug im Teehaus – und doch ein toller Abend

Fassade eines Teehauses in der Old City in Shanghai

Ergänzt am: 3. Februar 2025 //

Meine ersten Freundinnen finde ich in der Old Town von Shanghai

Atmosphäre
In der Altstadt von Shanghai schwimme ich in der Menge mit, über mir Lampions, traditionelle Häuser, Kunsthandwerk-Lädchen und über all dem: Gedränge, Geschiebe, Fotografieren und lachende, feixende, essende Menschen.

Angesprochen
Ich soll mal wieder Chinesen Fotografieren, diesmal zwei Girlies, und große Ausnahme: ich selbst soll nicht mir auf das Bild. Wir kommen trotzdem ins Gespräch, vielmehr die junge Chinesin führt das Gespräch in sehr gutem Englisch ohne Punkt und Komma. Sie ist lustig, freut sich über meine chinesisch Kenntnisse und fragt mich, ob ich nicht mitkommen will eine Teezeremonie zu besuchen.

Fragen, Fragen und nochmal Fragen. Sie fragen mich wo ich herkomme, wie alt ich bin, fallen beinahe vom Himmel, dass man schon so alt sein kann, wo ich arbeite, wieviel Geschwister ich hab, kurzum, sie löchern mich. Später werde ich merken, dass diese Fragerei hier ganz normal ist.
Die beiden selbst kommen aus dem hohen Norden, Harbin, das müsst Ihr mal googlen, das ist echt am Rand zu Sibirien.
Im Teehaus. Die Mädels einen guten Schritt drauf, dafür, dass sie sich als Touristinnen ausgeben und zuvor noch lang und breit den Stadtplan studierten, nehmen sie jetzt jede Abkürzung und biegen in kleine Gassen ein, tauchen schließlich in eine ziemlich leere Mall hinab, Rolltreppe runter und plötzlich rechts eine Tür. Hupps, war da ein Eingang? Hinter der Tür steht eine Frau im Seidenkleid in einer Art Wächterhäuschen und geleitet uns in eine kleine Kammer, in der maximal vier Leute Platz haben. Wir sitzen auf Hockern an einer Wand, die Zeremonienmeisterin steht uns am Tisch gegenüber. Wir gackern und kichern und chinenglischen die ganze Zeit. Das wird der Herrin zu bunt, sie fängt einfach an über Tee zu sprechen. Die Mädels übersetzen.
Der Tee. Es gibt Tee, ja, der ist auch alt, Konfuzius war der erste Tee Zeremonienmeister und schon wird heiß Wasser ins winzig kleine Tässchen gefüllt um es dann über einer goldenen dreibeinigen Kröte auszuschütten. Das ist der Buddha, kein „Qing Wa“ = Frosch, wie ich stolz verkünde. Nein, ein Buddha, und wir streicheln ihn, das bringt uns Glück.
Die Zeremonie. Meisterin zeigt, wie man mit drei Fingern die Tasse zu halten hat. Zuerst die Tasse unters geöffnete Auge halten, das ist gesund. Dann den Duft riechen, dann in drei Schlucken trinken. Ich hab immer „eins zwei drei“ verstanden, also hab ich bei drei den Tee auf Ex getrunken. Oh weh, ganz falsch… Es gibt verschiedene Teesorten und ganz bestimmt ist einer drin, der mit Dope getränkt war. Uns wird warm, wir kichern und schwazten, die Zeremonienmeisterin macht unbeirrt weiter, giesst dieselben Blätter erneut auf, Auge, Nase, drei Schlucke.
Dann die nächste Teesorte, Auge, Nase, drei Schlucke.   Früchte, Blumen., Drachentee und ich wette überall Dope, mir ist total schwummrig, ich bin glücklich. Oder einfach nur high.
Die Drachentasse. Das Bild eines schwarzen Drachens wird rot, wenn heißes Wasser drübergegossen wird. Oder ist das eine optische Täuschung? Wir haben inzwischen alle Hemmungen verloren. Oder nur ich? Die Teeblätter kleben wir jetzt unter die Augen kleben, gut gegen Augenringe.
Weiter gehts mit Lychee Schwarztee, wir sind inzwischen beim Thema, heiraten oder nicht, und was wenn man Kinder bekommt…
Das Erwachen. Noch drei Runden später bietet uns die Meisterin an, wir können jetzt Tee zum Kauf auswählen. Das ist schnell geschehen, jede nimmt eine andere Sorte. Und dann stellt die Zeremonienmeisterin die Rechnung aus und wir sollen ungefähr 240 Euro zahlen. Die Mädels zucken mit keiner Wimper und überlegen nur, wie wir die Rechnung teilen sollen, weil die Zeremonie 134 Euro und der Tee 112 Euro kostete. Wir kommen überein, dass Li Li die eine Hälfte zahlt und ich die andere, weil Xiao Yue „kleiner Regen“ noch sehr jung ist und kein Geld hat.
Ich  bin so breit und sag zu allem ja. Die Umrechnung von Yuan in Euro schaff ich eh nicht, das ging mir erst viel später auf. Jedenfalls hab ich gar nicht so viel Geld dabei. Ich gucke dumm. Die strenge Zeremonienmeisterin blickt düstern. Die Mädchen zappeln und tuscheln. Schießlich kommen sie überein, dass ich doch bestimmt eine Kreditkarte habe. Hm, naja, klar, habich. Also bleibt Xiao Yue solange in der Kammer, bis Li Li, die Zeremonienmeisterin und ich nach oben in der Mall einen Geldautomaten gefunden haben, der oh Wunder fast direkt neben der mysteriösen Eingangestür steht. Madame Zeremonienmeisterin stellt sich so, dass ichnicht fliehenkann. Ich muss die Zeche zahlen.
Wieder zurück überreicht mir Xiao Yue feierlich Ihren Tee und sagt auf chinesisch: Ich möchte Dir den Tee schenken, ich freue mich, dass ich eine neue Freundin habe und bedanke mich für die Einladung.
Ich gehe glücklich nach Hause und schreibe den Text. Am nächste Tag im Büro werde ich von besorgten Kolleginnen empfangen. Sie haben alle meinen Text gelesen und erklären mir beschämt, dass sie mich wohl hätten warnen müssen...
Auch wenn ich hier dem Betrug vonzwei Locals auf den Leim gegangen bin: Das war echt ein toller Abend.